Oliver Weiß Geschrieben November 14, 2021 Geschrieben November 14, 2021 Bei Typedrawers wird gerade diskutiert, ob es Sinn macht, eine ſß Ligatur einzuführen, die die drei sss bei Worten wie "Esssaal" ersetzen könnte. Ich habe mich da eingemischt, um klarzustellen, daß ein Eszett hier nicht zur Wahl steht, denn Esßaal gibt's nicht, und "Eßsaal" auch nicht. Im Fraktursatz würde man Eſſsaal schreiben. Langes s ist ja nicht mehr im Gebrauch, und so schlug ich eine ss-Ligatur vor. Erst danach kam ich darauf, meine Meinung nachzuprüfen. Siehe da, "Eßsaal" gibt es sehr wohl. Meine Frage an Euch jetzt: ist die Verwendung des Eszetts hier nur Usus, aber streng gesehen nicht richtig? Oder bin ich völlig auf dem Holzweg? (Bitte bedenken, daß meine Deutschkenntnisse auf dem Stand von 1990 eingefroren sind.)
Thomas Kunz Geschrieben November 14, 2021 Geschrieben November 14, 2021 Orthographisch korrekt ist heute Esssaal. Da im Deutschen grundsätzlich keine Ligaturen über Fugengrenzen gesetzt werden, kann hier auch keine sss-Ligatur angewandt werden. (Wenn ich das Wort in Fraktur setzen müsste, würde ich entweder Eßſaal (Rechtschreibung von 1901) oder Eſsſaal schreiben.) 1
Phoibos Geschrieben November 14, 2021 Geschrieben November 14, 2021 Yeah, Rechtschreibreform! Der Duden schreibt zu den S-Regeln: https://www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/doppel-s-und-scharfes-s Da das Eszett einen Silbenschluß bildet und niemals eine Silbe öffnen kann, stellt sich für mich da auch nicht die Frage nach einer Ligatur.
Phoibos Geschrieben November 14, 2021 Geschrieben November 14, 2021 Mmm, ich bin da wohl zu phonetisch gewesen, Straße wird mit einer mit ß-beginnenden Silbe getrennt: Stra-ße. Wobei ich lautsprachlich eher eine Doppelkonsonanz höre: Stras-se. Kein Wunder, dass es eines der schwierigen Wörter beim Duden ist.
Ralf Herrmann Geschrieben November 14, 2021 Geschrieben November 14, 2021 Zitat German has recently undergone an orthographical revision which leads to the sequence sss often being present in words, which leads to awkwardness. Surely the obvious solution is: ſſs ſß Weiß nicht, wie ernst das überhaupt gemeint war, aber es ist so oder so eine aus Unwissenheit geborene Idee. Es fehlte das Wissen, wo die verschiedenen Formen überhaupt historisch stehen können (was die gezeigten Formen komplett unmöglich macht), wie Ligaturen im Deutschen gesetzt werden und was diese Zeichen heute als sinntragende Einheiten bedeuten. Es sind halt keine grafischen Varianten, die man nach optisch-typografischen Erwägungen verteilen könnte. 1
Oliver Weiß Geschrieben November 14, 2021 Themen-Ersteller Geschrieben November 14, 2021 Keine Frage, das habe ich auch dort kommentiert. vor einer Stunde schrieb Thomas Kunz: Da im Deutschen grundsätzlich keine Ligaturen über Fugengrenzen gesetzt werden, kann hier auch keine sss-Ligatur angewandt werden. Ich hatte eher an so etwas gedacht:
Ralf Herrmann Geschrieben November 14, 2021 Geschrieben November 14, 2021 vor 1 Minute schrieb Oliver Weiß: Keine Frage, das habe ich auch dort kommentiert. Ich hatte eher an so etwas gedacht: Ja, das würde funktionieren, wenn es sich grundsätzlich so durchsetzen würde. Solange es die Ausnahme ist, stört es wohl eher als es nützt. Alternativ könnte auch das dritte s markiert werden. So wie es einige Sprachen ja mit dem Trema machen. Das ‘ë’ im Niederländischen ‘Ideeën’ steht nicht für einen anderen Laut, sondern sagt ‘neue Silbe ab hier’. Entsprechend könnte man Essšaal oder ähnliches schreiben. (Nur als rein akademische Auseinandersetzung. Ich schlage nichts dergleichen wirklich ernsthaft vor.)
Ralf Herrmann Geschrieben November 14, 2021 Geschrieben November 14, 2021 Im Zweifel gibt es eh immer diese Lösung ohne neue Zeichen: https://www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/zusammentreffen-von-drei-gleichen-buchstaben 2
Phoibos Geschrieben November 14, 2021 Geschrieben November 14, 2021 vor 26 Minuten schrieb Oliver Weiß: Ich hatte eher an so etwas gedacht: Solche Lösungen können meiner Meinung nach nur im Display-Satz funktionieren. Im Fließtext würde ich darüber jedes Mal heftig stolpern, da es ein unerwartetes Zeichen ist.
Thomas Kunz Geschrieben November 14, 2021 Geschrieben November 14, 2021 vor 5 Stunden schrieb Oliver Weiß: Bei Typedrawers wird gerade diskutiert, In der Diskussion wird behauptet Eſßall und Kurzschluſßtrombegrenzungsdrosseln seien für deutsche Leser verständlich. Klar kommt man irgendwie drauf, was gemeint sein soll. Aber mal ehrlich: Wer – außer Typografen, Historikern und sonst mit alten Schriftstücken befassten Leuten – kann heute noch etwas mit einem Lang-ſ anfangen?* Und wer würde je darauf kommen, ein ß aufzuspalten in das letzte s des einen Wortteils und in das erste s des nächsten Wortteils? Absurd! Hoffentlich entstehen aus dieser Diskussion keine irrigen Vorstellungen, die in neue Schriftentwürfe einfließen. * Als ich mit der Buber-Rosenzweig-Bibel zu tun hatte, stieß ich in dem beigefügten Heftchen zur Entstehung der Übersetzung auf das Lang-ſ. Der Text war nicht etwa in Fraktur, sondern aus einer Antiqua gesetzt. Schnell war mir klar, dass ein s gemeint sein muss. Aber ich habe lange nicht verstanden, was es mit diesem f-ähnlichen Spazierstock im Text auf sich hat.
Oliver Weiß Geschrieben November 14, 2021 Themen-Ersteller Geschrieben November 14, 2021 Naja, das ſ ist ja sicher nicht grundlos verschwunden. Ich baue es trotzdem in alle meine Schriften ein, und habe mir auch die Mühe gemacht, das "historical forms" feature so zu erweitern, daß ſ nur am Wortanfang auftritt. Um im deutschen Satz Wortfugen zu erkennen, und da das richtige s einzusetzen, dafür ist allerdings noch kein Kraut gewachsen.
Thomas Kunz Geschrieben November 15, 2021 Geschrieben November 15, 2021 vor einer Stunde schrieb Oliver Weiß: noch kein Kraut gewachsen Es gibt Ligaturix und MacFrakturix. Ob die Programme was taugen, kann ich nicht beurteilen. Ich habe sie noch nie eingesetzt. Die Frakturschriften von Delbanco und Helzel haben eine Lang-ſ-Automatik (ob alle, weiß ich nicht). Ich schalte die Funktion immer aus. Ich setze das Lang-ſ und das Rund-s lieber manuell. 1
Callelulli Geschrieben November 15, 2021 Geschrieben November 15, 2021 Gerade eben schrieb Phoibos: Wobei ich lautsprachlich eher eine Doppelkonsonanz höre: Stras-se. Ich bin mir ziemlich sicher, daß ich in der Grundschule Ende der 1970er-Jahre gelernt habe, daß das ß genau so getrennt wird: Stras-se, Füs-se, Grüs-se. Ob es wohl mal kurzzeitig oder regional begrenzt so eine Regel gab?
Phoibos Geschrieben November 15, 2021 Geschrieben November 15, 2021 vor 25 Minuten schrieb Callelulli: in der Grundschule Ende der 1970er-Jahre gelernt Das ist gut möglich, meine Grundschulzeit war Mitte 80er und in Hamburg. Irgendwoher muss ja diese Gewissheit stammen, dass ein ß keine Silbe öffnen kann. Aber ich kann mich da auch in so etwas wie in der Art muta cum liquida verlaufen (in antiker Metrik wichtig bezüglich der metrischen Länge einer Silbe). Das ist eine Frage, die auch andere beschäftigt. Wie war es denn bei Euch?
Norbert P Geschrieben November 15, 2021 Geschrieben November 15, 2021 vor 3 Stunden schrieb Callelulli: Stras-se, Füs-se, Grüs-se Eventuell in der Erinnerung verschoben mit den Trennregeln zu ck (k-k) und st?
Mueck Geschrieben November 15, 2021 Geschrieben November 15, 2021 vor 19 Stunden schrieb Thomas Kunz: (Wenn ich das Wort in Fraktur setzen müsste, würde ich entweder Eßſaal (Rechtschreibung von 1901) oder Eſsſaal schreiben.) ... und aus ſs im letzteren kann man ja durchaus eine Ligatur machen, ist ja sogar Vorbild für einige ß, jedenfalls in Antiquas, und wäre das ſ noch im Gebrauch, könnte man ß=ſʒ- und ſs-Ligatur brauchen ...
Phoibos Geschrieben November 15, 2021 Geschrieben November 15, 2021 vor 7 Minuten schrieb Norbert P: st Das zu trennen war verboten! Strengstens!1! 🙂 Gut möglich, ich kann auch durch andere Sprachen da in eine Verwirrung geraten sein, die sich bis heute hält. Straße ist mir aber meist nicht lang genug, um es zu trennen. Da schmeiß ich lieber noch ein Füllsel in die Zeile/Absatz.
CRudolph Geschrieben November 15, 2021 Geschrieben November 15, 2021 vor 2 Stunden schrieb Phoibos: Das zu trennen war verboten! Strengstens!1! 🙂 LOL, das ruft alte Erinnerungen hervor: "Trenne nie st, denn es tut ihm weh!" 3
BerndH Geschrieben November 15, 2021 Geschrieben November 15, 2021 Die aktuell auftretenden Dreifachkonsonanten sind mir wirkliches Ärgernis. Mit anderen Veränderungen in der Rechtschreibung konnte ich mich entweder leicht anfreunden oder habe sie sogar begrüßt, aber Schifffahrt schmerzt (in meinen Augen) doch erheblich. Oft nutze ich die ja oben auch von Ralf Herrmann genannte Bindestrichlösung. Der Schifffahrt kann man durch eine richtig eingesetzte ff-Ligatur schon ein wenig auf die Sprünge helfen. Eine entsprechende dezente ss-Ligatur würde ich, wo es passt, wohl auch nutzen. Aber benötigen wir nicht dann auch eine tt- und eine ll-Ligatur, und eine für rr? Und nn? Und so fort? 1
Thomas Kunz Geschrieben November 15, 2021 Geschrieben November 15, 2021 (bearbeitet) Bernd, hast du dich dann früher auch über Auspuffflamme, Balletttruppe, fetttriefend, Pappplakat und Sauerstoffflasche geärgert? PS: Programmmnemotechniker bearbeitet November 15, 2021 von Thomas Kunz Postscriptum angefügt
BerndH Geschrieben November 15, 2021 Geschrieben November 15, 2021 Die einzige davon, die mir in freier Wildbahn begegnet ist, ist die Sauerstoffflasche. Und nein, geärgert nicht, aber sie hat mich schon etwas angefremdelt.
Mueck Geschrieben November 16, 2021 Geschrieben November 16, 2021 vor 21 Stunden schrieb Thomas Kunz: PS: Programmmnemotechniker Das in Sütterlin und die Verzweiflung ist perfekt ... 4
Callelulli Geschrieben November 16, 2021 Geschrieben November 16, 2021 In freier Wildbahn gibt es das Wort nicht, sagt Google. Ist schon arg konstruiert. Trotzdem lustig!
Thomas Kunz Geschrieben November 16, 2021 Geschrieben November 16, 2021 Natürlich ist es konstruiert. Ich habe lange gesucht, um eine halbwegs glaubhafte Kombination zu finden, deren erster Teil auf Doppel-m endet und deren zweiter Teil mit m und einem weiteren Konsonanten beginnt. (Ich wollte Bernd ein bisschen sticheln. Manchmal juckt der Hafer. War also gar nicht böse gemeint.) 2 1
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