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Design Älterer Sachbücher

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Geschrieben

Wenn man sich in meiner Branche (IT) ältere Sachbücher ansieht, fällt auf dass "damals" (80er - Anfang 90er) das Design sich häufig von dem "moderner" Ausgaben unterscheidet. Es würde mich interessieren, ob das nun reine Mode war/ist, oder ob es irgendwelche typographisch-historischen Gründe dafür gibt.

 

Meist haben wir hier einen recht einfachen Aufbau, einspaltig, Überschriften hervorgehoben durch Größe und andere (meist serifenlose) Schriftart

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Beim recht beliebten O'Reilly Verlag weiß ich auch, dass die zumindest vor gar nicht zu langer Zeit noch durch ein Textsatzprogramm erzeugt wurden (Docbook -> groff).

 

Bei Publikationen aus der "Urzeit" der Branche waren noch ein paar andere Stilmittel im Einsatz:

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Eine breite linke Marge, in der die Überschriften begannen bzw. komplett waren. Oft auch noch horizontale Linien für die Sektionen ober/unter/neben der dazugehörigen Überschrift.

 

War das einfach die Sachbuch-Mode (gerade vielleicht auch die amerikanische) in der Zeit? Hat man sich damals kurzfristig mehr mit neueren Möglichkeiten der DTP Software gespielt? Ist das eine Formatfrage, d.h. gab's mehr "quadratische" Formate bei denen dann einfach mehr Platz für Marge ist (bei den Beispielen eher weniger)?

 

Ich besitze jetzt persönlich nicht sehr viele ältere Sachbücher, wenn ich mir aber z.B. Mathematik-Bücher aus der Jahrhundertwende (19tes auf 20tes) anschaue, sieht's wieder eher "normal" aus, d.h. wie ein Roman mit mehr Überschriften. 

Wie anderweits auch also ein 80er-Exzess?

  • sehr interessant! 2
Geschrieben

Das erste Beispiel erscheint mir recht vertraut. Ich habe relativ aktuelle Bücher, die ähnlich aussehen. Ich verbinde diese Art der Darstellung mit Fachbüchern aus den wissenschaftlichen Verlagen - O'Reilly, Cambridge. Ich finde die Art sehr übersichtlich und aufgeräumt. Da lenkt nichts ab.

 

Meine deutschsprachigen Fachbücher aus der Zeit sahen gruseliger aus, insbesondere die Elektrotechnik-Bücher. 

 

Vereinzelt erinnere ich mich an das TeX/LaTeX-typische Aussehen insbesondere bei der Informatik-Literatur. Die Konferenzbeiträge in Sammelbänden, zum Beispiel von der GI, schauen ja immer noch so aus, da hat sich seit dreißig Jahren nichts an den Vorgaben geändert.

 

Ich hatte im Informatik-Studium eine tolle Vorlesung über Dokumentenarchitektur. Das hat mein Interesse an dem Thema geweckt. Die wichtigste Botschaft war für mich damals die Trennung von Struktur und Darstellung. Die Struktur konnte sehr gut formalisiert werden. Das führte auch zum Trennalgorithmus von TeX, den wir damals im Detail durchsprachen. Die eher optischen Aspekte kamen dafür nicht vor. 

 

Vielleicht sehen die Fachbücher aus diesem Grund so aus? Der Autor dieser Verlage hat vor allem in einer Dokumentenstruktur gedacht und weniger mit WYSIWYG-Tools herumgespielt? Während deutsche Autoren und Verlage von den technischen Möglichkeiten geblendet waren? Das hast Du ja auch schon vermutet.

  • sehr interessant! 1
Geschrieben

Es fing an, als sich die Pädagogik von den Bleiwüsten früherer Schulbücher verabschiedete. Klarere Strukturen, mehr Weißraum. Und Platz für Notizen und eigene Anmerkungen!

Hinzu kommt, dass viele Sachbücher nicht zum linearen Lesen gedacht sind sondern für ein kursorisches oder akzidentelles Wahrnehmen. Oder für ein gezieltes Suchen einer Information.

Auch deutsche Sachbücher näher(t)en sich dem an, wofür ich jetzt keinen Überblick habe, jedoch das Gefühl, die Erinnerung. Ich könnte mal Photos von Lehrwerken der alten Sprache letzten 150 Jahre machen, wenn gewünscht. Dort ist viel aus den USA zu uns rübergekommen, da sie dort in der Didaktik uns um Jahrzehnte voraus waren (sind?). In den USA entstand zur Zeit der Weltkriege der Bedarf, möglichst schnell möglichst vielen Menschen ungeachtet ihrer individuellen Voraussetzungen auf einen Wissensstand zu bringen. Daher hat das US-Militär viel Energie in das Lehren und Lernen im Bereich der Erwachsenenbildung investiert, was sich dann auch im zivilen Bereich bemerkbar machte. Dazu gehört halt die klare Struktur und verdichteter Inhalt mit internen Verweisen. Die Wehrmacht stand vor einem ähnlichen Problem und ist das mit der Tigerfibel angegangen und ist meiner Meinung da den umgekehrten Weg gegangen: statt aufgeräumter Lehrwerke für (junge) Erwachsene hat sie die Lehrwerke infantilisiert.
Der momentane Schlußpunkt der Entwicklung ist Powerpoint. Meist als alles erstickende Pestilenz missbraucht, kann es ein extrem wertvolles Werkzeug sein.

Geschrieben
vor 1 Stunde schrieb Phoibos:

Es fing an, als sich die Pädagogik von den Bleiwüsten früherer Schulbücher verabschiedete. Klarere Strukturen, mehr Weißraum. Und Platz für Notizen und eigene Anmerkungen!

Es gab eine Zeit, in der Schulbücher nach den Vorgaben der verschiedenen Kultusministerien keinen solchen Weißraum aufweisen durften. Damit sollte wohl sicher gestellt werden, dass Bücher, die von den Schulen an mehrere Schülergenerationen ausgegeben wurden, nicht von den Schüler:innen vollgekritzelt werden konnten. Ob das heute noch so ist, weiß ich allerdings nicht.

Geschrieben
vor 35 Minuten schrieb Thomas Kunz:

Ob das heute noch so ist, weiß ich allerdings nicht.

Da immer weniger Länder Lernmittelfreiheit garantieren, denke ich, dass dem nicht mehr so ist. Zumal nicht alle Länder zentralisierte Zulassungsstellen haben (in Hamburg gibt die Schulbehörden Empfehlungen, aber keine Vorgaben). Jedenfalls nimmt in Hamburg der Weißraum immer mehr Platz ein.
In den Alten Sprachen vermute ich sowieso, dass mittelfristig Lehrbücher abgeschafft werden und nur noch mit Kopien gearbeitet wird (*tätärä* Kopierkostenpauschale). Die Bedürfnisse an Texterleichterungen sind jahrgangsabhängig und gedruckte Textbücher erschweren die Binnendifferenzierung stark. Und in anderen Bereichen wären Tablet-gestützte Medien auch besser, da dort multimodales Lernen multimedial ermöglicht wird, so zum Beispiel in MINT.

Geschrieben

Schulbücher und auch einige Hochschul-Kostengräber haben auch ihre ganz spezifischen Eigenheiten. Formate sind mitunter unterschiedlich, oft bildintensiver (und andererseits auch etwas vom Wettbewerb befreit). Wenn man sich jetzt z.B. die Bücher für den Englisch-Unterricht ansehen würde, gibt's da sicher viel Bewegung. Konversationen hervorheben, ikonische "Lernbegleiter" Illustrationen (Kinder, Eltern, "Doormat" der Hund) usw.

 

Im Endverbraucher-Bereich der Computer-Literatur hingegen ist es weitgehend homogen, sofern man keine billigen Selbstdrucke von Kleinverlagen oder Software-Mini-Firmen zählt. Klassische Sachbuchaufteilung, größte "Weiterentwicklung" vielleicht die Darstellung des Quellcodes oder wie gut Diagramme gezeichnet werden.

Sucht man z.B. bei archive.org nach Fortran Büchern, dem ältesten Fluch der IT, dann kann ich da Werke aus den 70ern finden die heute auch noch so gedruckt werden könnten:

 

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Links 1970, Rechts 2011.

 

Aber dann halt diese Ausbrecher aus den 80ern:

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(1988, 1984)

 

Einfach ein Stildings wie zu schmale Krawatten und Legwarmer?

  • lacht 1
Geschrieben
vor einer Stunde schrieb mhd:

Einfach ein Stildings wie zu schmale Krawatten und Legwarmer?

Ich würde sagen: Ja. Denn ganz ähnliche »Trends« kenne ich aus dem populären Sachbuch der 80er/90er, buchhändlerisch gern als »Ratgeber« bezeichnet. Da bekam ich öfter Style sheets von den Verlagsherstellern, denen man ansah, dass die sich da spielfreudig ausgetobt haben mit allem, was QuarkXPress herzugeben imstande war.

 

Ich denke, dass dieses »Stildings« also wohl auch etwas mit den plötzlichen Möglichkeiten des damals immer verbreiteteren Desktoppublishings zu tun haben wird. Darüber hinaus wurde damals Offsetdrucken (vor allem zusätzliche Schmuckfarben, aber auch Papier und Bindung) immer preiswerter.

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